Es werde Licht!

Es werde Licht!

Warum entschieden wir uns dazu, als Eco Lodge gutes Geld in ein eher grosses Solarsystem zu investieren, statt auf einem Minimum zu fahren? Könnten wir nicht einfach abends jeweils für vier Stunden unseren Gästen mit einem Mini-System Elektrizität liefern? Warum entschieden wir uns nicht dazu, eine "Kerzenlicht-Lodge" mit ultra-simplem Standard zu bauen?
Dieser Blog Post illustriert unseren Prozess. Er soll interessierten LeserInnen aufzeigen, welche Entscheidungsfaktoren für uns von Bedeutung waren und wo wir jetzt mit diesem System gelandet sind. Er soll auch Leute inspirieren, die ein solches System an einem so abgelegenen Ort wie dem unsrigen für ihr eigenes Projekt in Erwägung ziehen.

Unser Solarsystem - und wie es funktioniert

Unser soeben fertig gestelltes System produziert rund 30kWh pro Tag. Dies entspricht dem geschätzten Maximalverbrauch der Lodge bei voller Belegung. Das System besteht aus 24 x 250W (=6kWp) Solarpanels, die am anderen Ende eine 24 x 1550 Amperestunden Batteriebank laden. Dazwischen sind die "Kapitäne" geschaltet, die drei Inverter der Marke SMA Deutschland. Zuerst wandeln sie Gleichstrom in Wechselstrom. Tagsüber kontrollieren die zwei Sunny Boy Inverter den Solarertrag der Panels. Der Sunny Island Meister Inverter leitet Strom direkt an die Endverbraucher weiter und überwacht, dass der maximale Stromfluss die im System angelegte Grenze nicht überschreitet. Gleichzeitig koordiniert er das Aufladen der Batterien und sichert ihre Höchstentladungsgrenze ab.

Die Batteriebank ist das teuerste Teil der Anlage, welches in der Nacht Strom liefert, aber auch an trüben Tagen bei gesenkter Direktproduktion und höherem Stromverbrauch mit ihrer Reserve einspringt. Ihre Kapazität ist so bemessen, dass sie eine volle 24Std. Ladung extra leisten kann.

Das tönt vielleicht nach wenig Reserve. Aber high-end Batterien sind das teuerste Teil eines solaren Inselsystems. Wir rechnen damit, dass die Belegung mit Gästen graduell über die ersten Jahre ansteigt. Zudem ist die Wetterlage in den Monaten November bis Februar, unserer Hochsaison, und darüber hinaus bis Mitte Mai äusserst stabil sonnig. So glauben wir damit fürs Erste gut über die Runden zu kommen. Die Batteriebank könnte auch mit einem Back-up Generator geladen werden, doch so einen wollen wir eben gerade nicht kaufen - ausser die Realität holt uns ein.

Am Anfang stand die Dunkelheit...

Vor drei Jahren, als wir uns zum ersten Mal hinsetzten um den Stromverbrauch der zukünftigen Lodge rechnerisch zu umreissen kamen wir zu einem völlig übertriebenen Resultat: 87kWh/Tag! Darin enthalten war der Stromverbrauch von elf Gästeeinheiten, der Küche mit Restaurant, der Angestelltenzimmer mit drei Lagerräumen, der Wäscherei und der Rezeption. Naiv holten wir entsprechende Angebote von lokalen und internationalen Solarfirmen ein. Die Kosten für eine gebrauchsfertig erstellte Anlage betrugen zwischen 120'000 bis 150'000 US$! Wir waren sprachlos - aber genau so entschlossen, dass wir trotzdem eine Solaranlage wollten. Wir mussten nun genauer ausrechnen, wie viele Geräte im Betrieb unerlässlich waren und mit welchen Mustern diese benutzt würden. Auch mussten wir energieeffiziente Geräte vor allem Anderen berücksichtigen. Das Gästeverhalten war ein weiterer Punkt und brachte einige Korrekturen. Schliesslich steigen Gäste ja nicht in einer Eco Lodge ab, um mehr Strom zu verbrauchen als bei sich zu Hause!

Die Wahl der Geräte

Wir unternahmen praktische Tests, zum Beispiel mit der Waschmaschine und mit dem Bügeleisen und anderen Elektrogeräten um ihren Strombedarf und Energieverbrauch praktischer zu verstehen. Beim Thema Waschmaschine entschieden wir uns für eine Zuleitung von solar erhitztem Wasser. Damit lässt sich ihr Strombedarf erheblich senken. Weder Boiler, Durchlauferhitzer noch Elektrokochplatten hatten Platz in unserem Solarkonzept, da ihr Verbrauch die Kapazität gängiger Anlagen immer übersteigt. Um Wasserdruckpumpen und ihren recht deftigen Verbrauch ausschalten zu können bauten wir einen 15 Meter hohen Wasserturm. Und mit einem guten Rest an Coaching kamen wir schlussendlich bei 38kWh/Tag an.

Netzwerkeln

Durch Kontakte mit der lokal engagierten GIZ, der Deutschen Entwicklungshilfe, wurden wir Heye und Angela, den Teilhabern der Travessia Lodge in Mosambik, vorgestellt. Ihre hübsche Strand Lodge entsprach in der Grösse etwa dem was wir im Sinn hatten. Sie betreiben die Lodge mit Solarstrom. Heye war uns gegenüber sehr offen und zugänglich. Er teilte mit uns wie er in der Planung vorging und erwähnte als ganz wichtigen Punkt, von Anfang an gleich beste Komponenten "Made in Germany" einzukaufen. Gleichzeitig erzählte er auch von den Problemen mit Kopfzerbrechen, als er seine Komponenten selbständig nach Mozambique einführte. Und zu guter Letzt vermittelte er uns den Kontakt zu Harald Olk, dem Deutschen Solarspezialisten, der ihre Anlage geplant und die Installation überwacht hatte. Heye sagte wörtlich: "Wir hatten seit dem Aufschalten der Anlage kein einziges Mal ein Black-out, so das unser Generator nun unnütz in der Gegend steht. Unsere Stromversorgung läuft wie ein Rolls Royce!"

Nochmals hinsetzten, bitte

Wir kontaktierten also Harald und fanden in ihm einen liebenswerten Menschen und erfahrenen Experten, der in ländlichen Gebieten Afrikas viele Anlagen aufgebaut hat. Harald interessierte sich für unser Projekt, nicht zuletzt weil er auch Myanmar kennen lernen wollte. Die Sitzungen mit ihm waren eine wichtige letzte Runde im Boxkampf um Energieeinsparungen. Sie brachten uns auf das heute geschätzte Verbrauchsmaximum von 30kWh pro Tag. Mit Harald und der erfahrenen Sicherheit, die er uns bot, wussten wir, dass wir den Schritt in die Realisierung wagen konnten.

Schritt 1 - Beurteilung vor Ort

Weil Arakan Nature Lodge ein authentischer Ort natürlicher Schönheit ist war uns von Anfang an klar, dass wir weder die Naturdächer noch den Grünbereich des meerseitigen Landstückes mit Solarpanels verschandeln wollten. Unser Kokospalmenhain spendet kühlen Schatten und ist somit für den effizienten Einsatz von Solarpanels nur bedingt geeignet. Diese sollten vollständig frei von Schattenwurf stehen.

Aus diesen Gründen entschieden wir uns für ein zentrales Solarsystem. Wir fanden auf dem hinteren Landstück einen geeigneten Platz mit weniger Palmen. Bei der Platzwahl galt es auch die Distanz von den Panels zum Powerhaus welche eher gering sein sollte zu beachten. Die Distanz von Inverter/Batteriebank zu den Endverbrauchern beträgt bei uns bis zu 200m, weshalb die Wahl von qualitativ hochwertigem Verteilerkabel angesagt war. Das Landstück für die Panel-Positionierung war gewählt und sah so aus:

Qualitätskabel sind wichtig, um Spannungsverluste in der Verteilung zu minimieren. Nach langer Suche via Internet (in Bangkok und China) fanden wir aus Spanien importierte Qualitätskabel direkt hier in Yangon. Gleichzeitig war nun Harald unterwegs zu uns für eine erste Vor-Ort-Inspektion. Seinen Besuch nutzten wir, um nebst genereller Planung gemeinsam schon den Verlauf der Landkabel zu bestimmen und diese dann gleich zu verlegen. Mit unseren Helfern aus dem Dorf und Harald gemeinsam machte diese Arbeit riesig Spass.

Schritt 2 - Beschaffung

Nach Abschluss von Haralds Systemplan und Bestimmung der besten einzelnen Komponenten mussten wir herausfinden, von wo und wie diese am besten ins Land zu bringen waren. Wir hatten uns ja, um günstiger zu fahren, gegen eine schlüsselfertige Lösung entschieden. Wir schauten uns schon mal nach einer lokalen Solarfirma um, die gemeinsam mit uns dann die Installation machen würde, sobald alles eingekauft wäre. Dies brachte uns in Kontakt mit Than Aye und Kyaw Min Tun von Myanmar Solar Co. Ltd. und wir freuten uns, dass beide einem solchen Weg zustimmten. Die 24 Ying Li Solar Panels waren in ihrem Yangoner Lager vorhanden und so kauften wir diese gleich bei ihnen ein.

Die drei SMA Inverter kamen von ecoSprize, Bangkok, während dem die 24 je 70kg schweren Fiam Batterien durch ABO Chiang Mai beim Hersteller geordert wurden. Gute Solarbatterien sollten "frisch hergestellt" sein, damit sie länger halten. Ihre Bestellung in Italien hatte eine Frist von zwei Monaten. Aber wie um Himmels Willen würden diese schweren Dinger nach Ankunft in Bangkok bis nach Yangon transportiert werden? Dies geschah per Lastwagen und funktionierte!

Nachdem wir Bescheid bekommen hatten, die Batterien seien unterwegs, reiste unser Aung Soe Paing nach Yangon, um am Cargo Busbahnhof als dem vereinbarten Übergabeort die weitgereisten Dinger anzunehmen. Die versiegelten Batterien wurden mit grosser Sorgfalt in den klapprigen Cargo Bus, der täglich Gwa ansteuert, geschleppt, verladen und festgezurrt. Und siehe da! Zwei Tage später durften wir sie in Gwa in Empfang nehmen. Nehmen ist gut gesagt. Dies Nehmen benötigte vier Träger pro Stück. Unser Ford Ranger hatte noch nie so eine massive, langweilig aussehende Ladung transportiert. Nachdem die Hälfte aller Batterien auf der Ladefläche standen wurde klar, dass wir ohne den Reifen Extraluft zu geben wohl nicht weit kommen würden. Gesagt, getan! So fuhren wir, erst erleichtert, dann siegesgewiss aus Gwa raus in unser Dorf.

Schritt 3 - Installation

Harald machte sich nun erneut auf die Socken zur Installation bei uns. Gleichzeitig war auch Kyaw MIn Tun mit den 24 Solarpanels hierher unterwegs. Der Installation stand mit dem Vorhandensein aller Komponenten nichts mehr im Wege. Bei tiefem Sonnenstand im Winter hatten wir jedoch beobachtet, dass der Platz für die Panels nicht ganz schattenfrei war, was uns dazu bewog, die fünf betroffenen Kokospalmen mit einem weinenden Auge zu fällen.

Das dorfeigene Zimmermänner Team baute aus den Kokospalmstämmen das Panel Grundgerüst auf. Die Stämme wurden mit wenig Zement verankert und mit Holzschutz gegen Schädlinge und zum Wetterschutz behandelt. Ihre offenen Schnittflächen deckten wir oben mit je einem Stück rezykliertem Gummipneu ab um den Stamm vor Regenfällen zu schützen. Dann zimmerte das Team auf die 28 Pfosten die Rahmen aus altem Eisenholz, worauf dann die Panels mit zwei Schletter Aluschienen befestigt werden konnten. Natürlich mussten wir dabei unseren Einstrahlwinkel zur Sonne wählen. Wir entschieden uns zu relativ steilen 30 Grad um während der Hochsaison im Winter eine möglichst optimale Sonnenausbeute zu erhalten.

Der Rest der Installation basierte auf echtem Teamwork. Wir heuerten die zwei Männer unseres Dorfes an, die bereits einfache Elektroinstallationen gemacht hatten. Sie konnten durch ihre Mitarbeit ihr Wissen praktisch erweitern.

Als wir zum ersten Mal Licht anmachten durften stieg bei den Endverbrauchern am anderen Ende der Leitungen die Party:

Danksagung

Heute, nach all den Nächten in magischem Mond-, Sternen- und Glühwürmchen-Licht, aber auch nach heissen Tagen des Kopfzerbrechens, wie wir denn all diese hochwertigen Komponenten an unseren so abgelegenen Ort bringen könnten, ist dies vollbracht!

Wir bedanken uns bei Myanmar Solar und bei Harald für die gegenseitige Offenheit zur Zusammenarbeit. Wir sind auch der GIZ für ihren Teil von Vermittlung und dem Support unserer Ambition im grünen Energiebereich dankbar.

Natürlich hoffen wir mit unserem Beispiel andere Unternehmer im Bereich von Tourismus zu nachhaltigem Wirtschaften inspirieren zu können. Wir sind gerne bereit, unsere Fakten mit interessierten Menschen zu teilen, was am Besten mit einem Besuch hier vor Ort und mit einer Begehung möglich sein wird. Ernsthaft Interessierte sind hier jederzeit willkommen.

Aber nun doch noch: Warum also entschieden wir uns zu einem grosszügig ausgelegten Solarsystem, statt nur abends ein paar Stunden Strom zu liefern oder sogar eine bewusst einfach gehaltene Kerzenlicht Eco Lodge zu werden?

Hier möchten wir noch Licht ins Dunkel der entscheidenden Unsicherheitsfaktoren bringen. Drei Faktoren spielten dabei die Hauptrolle:

1) Alles oder Nichts

Persönlich waren wir der Überzeugung, entweder eine ganz einfache Unterkunft zu bauen, wo es zum Beispiel nur Kübelduschen gäbe die täglich mit einem mobilen Tank auf einem Kuhwagen aufgefüllt würden. Solch eine Lodge würde fast vollständig auf Elektrizität verzichten können und den Gästen Kerzen und Solarlampen geben. Sie würde höchstens ein kleines Solarsystem haben um einen Kühlschrank zu betreiben. Und auf Wifi würde gepfiffen. Ein solches zurück-zur-Natur Konzept hätte die Gäste einen grossen Schritt weg von der Zivilisation gebracht - und ehrlich gesagt fasziniert uns so ein Konzept immer noch.

Da dies aus lokalen Gründen (siehe unter 2) nicht passieren konnte, wollten wir lieber ans andere Ende der Realität wo natürlicher Komfort und schnelle Entspannung möglich wären. Ein mittelmässiges Konzept hätte uns und unsere Gäste wohl kaum glücklich gemacht.

2) Gesetzesgrundlagen zur Hotellerie in Myanmar

Dieser Aspekt hat uns am stärksten in Richtung einer grosszügig ausgestalteten Lodge gedrängt. Bei Planungsstart galten teils völlig veraltete Regeln und Vorschriften zu Gästehäusern mit Bewilligung für ausländische Gäste. Zwar war darin nichts Klares zur Stromversorgung zu finden. Die Auflagen zeigten aber unmissverständlich, dass Myanmar nur auf High End Tourismus aus war. Als wir später unser ausgereiftes Projekt noch vom Hotel- und Tourismusministerium bewilligen liessen zeigten die Fragebögen dass die Behörden eine vollständige Energieversorgung jeder neuen Lodge voraussetzten. Ein Generator gehört in Myanmar zum festen Inventar jedes Hotels. Kurz, das Konzept einer "Kerzenschein-Lodge" hätte bei den Behörden niemals eine Chance gehabt!

Daran hat sich leider bis heute nicht viel geändert. Die Auflagen und Rahmen sind sehr eng gefasst, was jedem Freidenker den Wind aus den Segeln nimmt, alternative, natürlichere und auch traditionelle Behausungskonzepte in den Lodge-Bau einzubringen. Offene Plattformen und Hütten aus ursprünglichen Materialien sind ebenso ein rotes Tuch wie Gemeinschaftsbadezimmer undenkbar sind.

3) Stromversorgung unseres Dorfes

Im Oktober 2016 wurden unsere Dorfbewohner angewiesen ihre lauschigen Bäume vor den Häusern entlang der Dorfwege zu fällen. Das Aufrichten von Elektromasten war angesagt und brauchte Platz. Dreiviertel Jahre später waren alle Masten gesetzt, es wurde auch eine Transformerstation errichtet. Die Ankunft von Elektrizität wird also jederzeit erwartet. Wir hörten dazu, dass diese in der Ayerawaddi Division mit Wasserkraft erzeugt werde. Nimmt man die Bergstrasse nach Gwa, sind tatsächlich die Leitungen von Hügel zu Hügel erstellt. Ganz klar wartet unsere Gemeinde sehnsüchtig auf Elektrifizierung. Einen Moment lang zauderten wir und erwogen uns einfach an das Netz mit anzuschliessen. Würde das wirklich Wasserkraft-Strom sein? Doch dann besannen wir uns zurück zu unserem Bekenntnis auf eine autarke Versorgung mit erneuerbarer Energie. Wir zweifelten an der Regelmässigkeit des von der Regierung zu liefernden Stromes. Niemand weiss bis heute genau, wann dieser kommen wird.

So dachten wir uns: Lassen wir die Regierung nun diese Region erschliessen und ihre Dörfer versorgen. Strom gibt es in Myanmar eh nicht genug. Wir bleiben dabei und bauen trotz der Elektromasten Myanmars erste Eco Lodge mit 100% Solarstrom!